Das Bataillon

Lübbecker Bürgerschützen-Bataillon von 1492
Darstellung der Entwicklung des Schützenwesens in unserer Stadt Lübbecke

Unser Bataillon resultiert aus der mittelalterlichen Verpflichtung der Bürger, ihre Stadt in Notzeiten zu verteidigen. Eine Verpflichtung, der alle männlichen Bürger nachzukommen hatten.
1492 erwähnt die Chronik von Lübbecke zum ersten Male die Gründung einer Bürger-Schützenkompanie. Es ist wahrscheinlich, dass das Schießen bereits mit Erlangen der Stadtrechte im Jahre 1279 stattgefunden hat, da ab diesem Zeitpunkt die Bürger normaler Weise für die Verteidigung der Stadt mit ihren Befestigungsanlagen zu sorgen hatten. Es gibt jedoch keine schriftlichen Belege dafür. Durch mehrere verheerende Stadtbrände sind viele Dokumente vernichtet worden, so dass wir uns auf die Urkunde aus dem Jahre 1492 beziehen müssen.
Es heißt in besagter Urkunde, das Ritterschaft, Bürgermeister und Rat der Stadt Lübbecke festsetzen, alljährlich durch die Büchsenschützen einen „Papageien“ schießen zu lassen, und dass der Sieger eine Bremer Radbüchse erhalten soll. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Holzvogel gehandelt hat. Später wurde der Holzvogel durch eine Scheibe ersetzt, auf welche der Schuss abgegeben wurde. Diese Sitte wird bis heute beibehalten.

Ursprünglich sind die alten Geschlechter, nämlich die Burgmannen in Waffen und Rüstung zur Stadtverteidigung angetreten. Später, im Mittelalter, bildete sich wie in allen befestigten Städten Westfalens, so auch in Lübbecke, eine so genannte Schützengilde, die sich aus Ackerbürgern und der Handwerkerschaft zusammensetzte. Diese Wehrgemeinschaft hatte die Stadt in Notzeiten gegen fremde Übergriffe zu schützen. Geschossen wurde zu der Zeit mit der schweren Armbrust.

Wie die Chronik berichtet, wurde im Jahre 1544 eine weitere Bürgerkompanie gegründet, die mit Schwarzpulvergewehren schoss. Seitdem bestehen in Lübbecke zwei Bürgerkompanien, die jede ihren eigenen Schützenmeister, also den König, ausschossen. Und so kommt es, dass es noch heute bei jedem Fest zwei Schützenkönige gibt.
Die Bürger ermittelten somit für zwei Jahre ihre Schützenmeister, die die Aufgaben von Flurhütern und auch für die Verteidigungsbereitschaft der Bürger zu sorgen hatten und denen bei kleineren Vergehen auch die Gerichtsbarkeit zustand.

Die Sieger der Schießen wurden mit den Insignien, einer silbernen Büchse, mit der Jahreszahl 1544, einem silbernen Vogel (nicht näher datiert) ausgezeichnet und waren für die Dauer ihrer Würde von allen städtischen Lasten befreit; ein Privileg welches bis 1914 Bestand hatte. Als Äquivalent erhalten bis heute die Schützenmeister/jetzt Schützenkönige einen Zuschuss aus dem städtischen Haushalt.

Die I. Kompanie bildeten die Armbrust-Schützen mit ihrer blauen Fahne, die als Zeichen die Armbrust mit der Inschrift „Floret Antiqua Vetustas“ (es blühe die alte Überlieferung) trägt.
Die Feuerwaffen-Schützen führen eine weiße Fahne mit gekreuzten Büchsen mit der Inschrift „Deus Protector Noster“ (Gott ist unser Beschützer) und bildeten die II. Kompanie. Daher sind die Farben blau/weiß bis zum heutigen Tage die Farben der Lübbecker Bürgerschützen.
Die heutigen Fahnen sind Nachbildungen der Originale aus dem Jahre 1806 und sind 1958 angeschafft worden.
Die jeweiligen Schützenkönige tragen als Zeichen ihrer Würde schwere, massive Silberketten, gestiftet 1886 bzw. 1890, mit den Königsemblemen. Die Kette der I. Kompanie ziert ein silberner Vogel (Papagey) aus dem Mittelalter, die der II. Kompanie eine silberne Pistole mit der Jahreszahl 1544.
Bis 1806 blühte das Schützenwesen dieser Art, mehr oder weniger, auch in unserer Stadt. Dann wurde es unter Napoleon in Zeiten der französischen Besatzung Preußens untersagt.
Erst im Jahre 1823 wurde in Lübbecke das Scheibenschiessen wieder eingeführt. Seit dem wird es, nur unterbrochen durch Ereignisse wie Krieg, Wirtschaftskrisen, bis zum heutigen Tage in fast unveränderter Form gefeiert. Nach dem 2. Weltkrieg waren die Feste durch die Besatzungsmacht untersagt, 1949 fand der erste Ausmarsch wieder statt, es durften allerdings erst im Jahre 1954 wieder Waffen getragen werden.

In früheren Zeiten wurde mit der Armbrust oder einer glatten Flinte um die Würde eines Schützenkönigs geschossen. 1962 führte der Unteroffizier Wilhelm Reisebrink mit Genehmigung des Kommandos das Schiessen mit alten schwarzpulvergeladenen Vorderlader-Gewehren wieder ein. Aber immer noch werden alle zwei Jahre zwei Könige, getrennt nach geraden und ungeraden Hausnummern – früher 1. und 2. Kompanie-, ausgeschossen.

Wurden die Schützen früher in Rotten eingeteilt, welche einem Rottmeister unterstanden, so entstanden erst Ende 1960 verschiedene Züge, deren Zugführer für den Zusammenhalt der Ausmarschierer sorgen. Die ursprüngliche Uniformierung seit 1823 war der schwarze Gehrock, schwarze Hose, Zylinder. Im Jahr 1852 stellte eine Gruppe junger Leute den Antrag, in gesonderter Uniformierung, einer grünen Bluse, ausmarschieren zu dürfen. Diese Kleidung setzte sich dann als Uniform nach und nach durch. Unsere Zylinder-Kompanie setzt somit die Tradition der „alten Bürgerkompanien“ fort. Traditionell wird am Tage des Königsschießens eine weiße Hose zur Bluse bzw. Jacke getragen.

Das Bataillon gliedert sich in Ausmarschierer, Unteroffiziere und Offiziere. Die Ausmarschierer tragen grüne Bluse, Schützenhut, bzw. schwarzes Jackett und Zylinder sowie alle das blumengeschmückte Gewehr.
Unteroffiziere erkennt man am schwarzen Jackett, Uffz.-Mütze mit Kokarde, Schulterklappen in blau/weiß sowie blau/weißer Schärpe. Die Dienstränge sind Unteroffizier, Feldwebel, Oberfeldwebel. Geleitet werden sie durch einen Hauptfeldwebel.
Die Kleidung der Offiziere besteht aus Frack, Offiziersmütze, Schulterklappen und Schärpe in blau/weiß. Außerdem wird der Degen mit Portepee getragen. Die Offiziersränge sind Leutnant, Oberleutnant und Hauptmann. Nur der Kommandeur steht im Range eines Obersts.
Er wählt sich zwei Adjutanten und den Platzmajor als Unterstützung in das Kommando.
Die Offiziere fungieren als Zugführer und halten die Organisation der Feste und ihrer Züge in den Händen.

Ein Prunkstück ist unser Schellenbaum aus dem Jahr 1836. Seit diesem Jahr wird der Schellenbaum von einem Unteroffizier getragen. Seit sechs Generationen sind die männlichen Nachkommen des ersten Trägers, Ernst Meier, für das Tragen verantwortlich.

Seit 1844 besteht im Bataillon eine Artillerie, der in diesem Jahr (damals wurde fälschlicher Weise das 300-jährige Jubiläumsfest begangen) 4 Böllerkanonen gestiftet wurden. Leider sind diese Kanonen in den Wirren des 2. Weltkrieges zerstört worden bzw. verloren gegangen.
Nach und nach wurden dann drei Salutgeschütze von Artillerie-Offizieren gestiftet, die vierte Kanone wurde 2007 angeschafft, so dass der ursprüngliche Bestand nach vielen Jahren wieder erreicht worden ist.

Die klingende Visitenkarte des Bataillons sowie der Stadt Lübbecke ist das 1978 gegründete Lübbecker Schützen-Musik-Corps, hervorgegangen aus dem 1964 entstandenem Fanfaren-Corps. Mit seiner vielseitigen Musik begeistert das Schützen-Musik-Corps nicht nur während der Schützenfeste, sondern ist auch gern gesehener musikalischer Gast auf vielen Veran-staltungen im weiten Umfeld sowie in den Partnerstädten.

Im Jahre 2010 besteht das Lübbecker Bürgerschützenbataillon aus den beiden Kompanien mit insgesamt 9 Zügen sowie der Zylinder-, West- und Armbrustkompanie, dem Unteroffizierskorps, dem Schützen-Musik-Corps, der Artillerie und der berittenen Truppe „Alsweder Husaren“.

Trotz vieler Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte hat das Lübbecker Bürgerschützen-Fest nichts an seiner Anziehungskraft verloren. Die Bewahrung der Tradition und Gestaltung der Zukunft findet vermehrt seine Anhänger. Mit über 500 Ausmarschierern hat das Bataillon eine stolze Anhängerschaft für das traditionsreiche Lübbecker Schützenwesen.

Heinrich Esdar, Hptm. u. 1. Adjutant (Lübbecke, im Januar 2011)

Quellen: Chronik des Lübbecker Schützenoffizierskorps sowie Nachforschungen des ehemaligen Stadtheimatpflegers und Ausmarschierers Willy Buchholz

Link zu: Lübbecker Bürgerschützen-Bataillon